Buchtipp: Bauhaus-Architektur 1919-1933 von Hans Engels und Axel Tilch
23. Dezember 2020
Bauhaus-Architektur erleben
Bauhaus-Architektur, wie wir sie heute sehen: Hans Engels fotografierte die noch existierenden Gebäude renommierter Bauhaus-Architekten wie Walter Gropius, Marcel Breuer oder Ludwig Mies van der Rohe. Es handelt sich um berühmte, aber auch weniger bekannte Gebäude, die alle zwischen 1919 und 1933 entstanden. Der Prestel-Verlag veröffentliche die Bilder als Buch, ergänzt mit detaillierten Texten zur Bauhaus-Geschichte, verfasst von Architekt Axel Tilch.
Fürs Stylemag heben wir drei Gebäude aus dem Buch hervor.
Das Bauhaus von damals
„Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau.“
Dieser Satz stammt aus dem Gründungsmanifest des Bauhauses. Letztes Jahr feierte die ehemalige Kunstschule ihr 100-jähriges Jubiläum und rückte die Bauhaus-Geschichte einmal mehr in den Fokus.
Auch das Buch „Bauhaus-Architektur“ wirft zuerst einen Blick auf die Geschichte: Denn als staatliche Kunstschule war das Bauhaus oftmals in seiner Existenz bedroht. Durch politische Beschlüsse wurde 1924 die Finanzierung gekürzt, was zur Folge hatte, dass die Bauhausmeister kündigten. 1925 fanden Verhandlungen über die Weiterführung der Schule statt und Walter Gropius änderte letztendlich das Programm: Industrie und Wissenschaft standen von da an im Fokus. Die Schule hieß nun offiziell „Bauhaus – Hochschule für Gestaltung“. Von einfachen Haushaltsgegenständen bis hin zum fertigen Wohnhaus: Das Resultat waren Bauten und Produkte, die das Bild des Bauhauses bis heute prägen, wie Marianne Brandts Aschenbecher oder Marcels Breuers Stahlrohrmöbel.
1932 musste das Dessauer Bauhaus auf Beschluss der NSDAP schließen. „Es war das Ende des Bauhauses, nicht aber seiner Ideen“, schreibt Axel Tilch im Buch. Denn die Meister und Schüler, die Deutschland verließen, trugen das Bauhaus und seine Anschauungen in die ganze Welt hinaus.
Bauhaus-Architektur – drei Gebäude als Beispiel
Haus Auerbach
Das Haus Auerbach steht in Jena und wurde dort 1924 gebaut. Es war das letzte gemeinsame Werk von Walter Gropius und Hannes Meyer. Der Name des Hauses führt auf seine ehemaligen Besitzer zurück: Das jüdische Ehepaar Auerbach, die zum Zeitpunkt der Errichtung 64 und 67 Jahre alt waren. Das Leben des Paares endete tragisch – am 26. Februar 1933 nahmen sie sich das Leben, nachdem Hitler die Macht ergriffen hatte.
Doch durch ihr Haus geriet das Ehepaar Auerbach nicht in Vergessenheit. Das Besondere: Dieses Gebäude wurde innen mit 37 Farbtönen gestaltet. Das Bild von der weißen, asketischen Bauhaus-Architektur müsse somit revidiert werden, schreibt der Autor. Denn es sei durch die damalige Schwarz-Weiß-Fotografie entstanden. Das Haus Auerbach dagegen wurde unter anderem in zarten Pastelltönen gestaltet, die den Räumen eine helle Leichtigkeit und Heiterkeit verleihen.
Auch die Bauweise des Hauses ist besonders. Autor und Architekt Axel Tilch hebt im Buch hervor: „Mit diesem Haus haben Gropius und Meyer endgültig den flachen, einfachen Kubus aufgegeben. Sie sind zu einem raffinierten Spiel von sich gegenseitig durchdringenden Baukörpern gelangt.“
Der Originalzustand des Hauses wurde mit viel Leidenschaft von den jetzigen Bewohnern des Hauses wiederhergestellt.
Der deutsche Pavillon
Der deutsche Pavillon gehört zu den Schlüsselbauten der Moderne, schreibt Axel Tilch. Das Gebäude war Teil der Internationalen Ausstellung in Barcelona im Jahr 1929/30. Das Besondere war die Platzierung des Pavillons. Denn Mies van der Rohe wählte einen Ort, der von der Umgebung bestimmt war – was die Ausstrahlung des Gebäudes auf der Ausstellung stark beeinflusste. Im Haus gab es keine Ausstellungsstücke, der Pavillon selbst sollte im Mittelpunkt stehen.
„Von entscheidender Bedeutung für das Verhältnis von Bau- und Außenraum ist der mit quadratischen Travertinplatten verkleidete Sockel“, beschreibt Architekt Axel Tilch im Buch. „Der Baukörper erscheint dadurch wie abgehoben und bekommt automatisch einen repräsentativen distanzierten Charakter.“ Mies van der Rohe verwendete große Glasflächen, Innen- und Außenraum gingen so ineinander über und es stand eine neue Raumqualität: Das „Dazwischen“.
Nach der Weltausstellung wurde der Pavillon abgerissen, wiederverwendbare Baustoffe verkauft – Teile davon befinden sich heute im Altbau des Sächsischen Landtages in Dresden.
Das Kornhaus
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es in der Nähe eines alten Ausladeplatzes an der Elbe einen Getreidespeicher, der „Kornhaus“ genannt wird. Das danebenstehende Forsthaus bekam letztendlich denselben Namen, ebenso die 1929/30 gebaute Ausflugsgaststätte. Dieses Gebäude in Dessau wurde von Carl Fieger konzipiert, er war Entwurfsarchitekt von Walter Gropius.
Der zweigeschossige Bau ist als Stahlbetonskelett konstruiert und mit Ziegeln ausgemauert, ähnlich wie das Bauhausgebäude, schreibt Axel Tilch. „Eine Freitreppe führt zum oberen Eingang, von dem aus dem Besucher damals wie heute in den großen Tanzsaal und das Restaurant mit dem halbkreisförmigen, balkonartigen Vorbau gelangen“, erklärt der Architekt im Buch. Ursprünglich war eine offene Veranda geplant, sie wurde jedoch verglast.
2012 wurde das Gebäude aufwendig renoviert. Es sollte möglichst der Originalzustand von 1930 wiederhergestellt werden – vom Gebäude selbst über die Leuchten und Möbel bis hin zur Farbgestaltung. Im Oktober 2012 wurde das Dessauer Kornhaus neu eröffnet.
Bauhaus-Architektur – ein Fazit zum Buch
Hans Engels lässt die Leser in die Welt der Bauhaus-Architektur eintauchen – durch hochwertige Fotografien verschiedener Gebäude von außen, zum Teil auch von innen. Axel Tilch schildert dazu mit Liebe zum Detail und auf erzählerische Weise die Konstruktion und Geschichte dieser Bauten. Außerdem gibt das Buch einen Überblick über die Geschichte des Bauhauses und zeigt Kurzbiographien seiner Architekten – von Alfred Arndt bis Hermann Zweigenthal.
Kurz gesagt: Ein gründlich recherchiertes Buch für Bauhaus-Liebhaber und solche, die es werden wollen.
Mehr Infos zum Buch: https://www.randomhouse.de/Buch/Bauhaus-Architektur/Hans-Engels/Prestel/e544296.rhd