Kanzlerbungalow in Bonn

Photo – Haus der Geschichte/Axel Thünker

Der Kanzlerbungalow in Bonn kann mehr als nur Bauhaus

Genies haben nicht immer das Glück, schon zu Lebzeiten erkannt zu werden. Auch im Falle von Sep Ruf war es so: Der Münchner Architekt und Designer konnte sich über seine Auftragslage zwar nie beschweren, ein anerkennendes Kopfnicken war aber meist das höchste an Gefühlen, was er von Zeitgenossen für seine Bauten bekam. “Hundehütte“ nannten Kritiker den Kanzlerbungalow, den Sep Ruf zwischen 1963 und 1966 für den damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard in Bonn errichtete. Heute steht das Flachdachhaus unter Denkmalschutz und ist Pilgerstätte für Architektur-Fans.

Mit den ineinander verschachtelten Quadraten und weit überkragenden Flachdach ist der Kanzlerbungalow schon von außen klar dem Bauhaus-Stil zuzuordnen – obwohl Sep Ruf sich offiziell nie der Gruppe anschloss. Doch der Architekt pflegte eine gute Freundschaft mit Walter Gropius, schwärmte für Richard Neutra und Mies van der Rohe. Mit seinem sehr eigenen Blick auf die architektonische Moderne sagte Sepp Ruf einst: „Ich will wohltemperierte Lösungen.“

 

Die Innenausstattung

Der Bonner Kanzlerbungalow sollte vor allem schwerelos anmuten – weshalb der Architekt ihn auf Stelzen hob. Die riesigen Fensterfronten öffnen sich mit großer Geste zum Garten hin, aber auch zum Inneren des Hauses, wo sich ein Atriumhof befindet. Während der architektonische Stil von Sep Ruf betont modern war, verwöhnte er die gläsern-stählerne Nüchternheit des Gebäudes im Inneren mit einer feinsinnigen, auf unterschiedliche Materialien setzenden Ausstattung: Mehrlagige Vorhänge und kurzflorige Teppiche kleiden den Kanzlerbungalow ein, Holzfliesen vertäfeln die Decken und Wände, der Boden ist mit Travertinplatten gefliest und die Ledersofas mit einer üppigen Chesterfield-Heftung versehen. Für die frühen Sechziger Jahre war das Interieur dennoch eine Revolte: Denn unter Behaglichkeit verstand man damals bunt kolorierte Blümchentapeten und wulstige Samtsofas!

„Man lernt mich besser kennen, wenn man sich in diesem Haus umsieht“ sagte Ludwig Erhard beim Einzug in den Kanzlerbungalow, den er privat wie beruflich nutzte. Die Offenheit und Klarheit des Gebäudes sollte auch für den Politiker Erhard stehen. Doch nach drei Jahren im Amt musste er seinem Nachfolger Platz machen. Sep Ruf hatte sich da schon neuen Herausforderungen zugewendet, baute Kaufhäuser und Bürotürme. Seinem Stil blieb er treu. Wie gut: Denn heute wünschen sich nicht nur viele Architektur-Kritiker, es hätte mehr Baumeister wie Sep Ruf gegeben. Designmuseen wie die Pinakothek der Moderne München zeigen seine Möbel und nachträgliche Werkschauen feiern den damaligen “Vordenker“.

 

Das moderne Homeoffice

Sogar wenn es jetzt darum geht, geräuschintensiven Großraumbüros wieder etwas Behaglichkeit zurückzugeben oder zugigen Lofts ihre Atmosphäre, könnte man auf Sep Ruf verweisen: Denn er arbeitete schon damals beim Bonner Kanzlerbungalow mit Steck- und Schiebepaneelen, Textilien für eine bessere Akustik und apart verkleideten Wandschränken. Hatte der Kanzler morgens noch internationale Gäste in seinem Haus empfangen, konnte er sich abends darin zurückziehen. Wenn man so will, hat Sep Ruf das moderne Homeoffice erfunden…

Photo 1 – Haus der Geschichte/Axel Thünker