Die neue Tate Modern
Herzog & de Meurons Museumsbau an der Themse
Schon immer war die Tate Modern in London das weltweit beliebteste Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Rund 5 Millionen Besucher kamen pro Jahr in die Galerien und Ausstellungen am Südufer der Themse und in Zukunft werden es noch mehr. Denn mit dem kürzlich eröffneten Erweiterungsbau der Schweizerischen Stararchitekten Jacques Herzog & Pierre de Meuron hat das Museum nicht nur seine Ausstellungsflächen deutlich vergrößert, sondern ist obendrein auch zu einer architektonischen Attraktion geworden.
Das neu errichtete Switch House streckt sich 65 Meter hoch in die Luft und wirkt dabei so bodenständig und wehrhaft wie eine Festung. Ziegelfassaden umhüllen die Pyramide, deren Flächen sich falten und verkanten. Hier und da durchbrechen die scharfen Einschnitte horizontaler Fensterbänder die homogene Außenhülle. Als Bollwerk der Kunst und Kultur behauptet sich das Switch House gegenüber seinen Nachbarn, den gläsernen Wohnhochhäusern am Southwark. Gleichzeitig greift seine Ziegelfassade gezielt die Materialsprache des historischen Kraftwerks an der South Bank auf. In den Räumen der früheren Bankside Power Station, die bis 1981 in Betrieb war und in den 90er-Jahren umgebaut wurde, residiert die Tate Modern nun schon seit 16 Jahren und macht mit unvergesslichen Ausstellungen wie der großen Sonneninstallation des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson auf sich aufmerksam.
Von Außen gibt sich der neue Anbau an das Kraftwerk zwar als Trutzburg, innen jedoch breiten sich einladende und lebendige Räume aus, die ihre Besucher willkommen heißen und geschickt mit den Galerien im Altbau vernetzt sind. Die große Turbinenhalle wird zum beeindruckenden Zentrum des Museums und verbindet sämtliche Bereiche miteinander. Zwei Stege führen durch den luftigen riesigen Raum vom Altbau in den Neubau. Die Übergänge zwischen den Bereichen und Galerien sind nahtlos und die Räume vielschichtig. Vier der insgesamt 10 Geschosse des Switch House sind der Kunst vorbehalten, die mit der Wiedereröffnung neu präsentiert wird und in systematische Bereiche eingeteilt ist, die von einzelnen Kuratoren betreut und zusammengestellt sind. Eine geschwungene Treppe lässt die Besucher zwischen den Etagen des Neubaus flanieren. Wie Straßen und Plätze durchqueren die Wege zwischen den Galerien das Museum und laden an vielen Stellen zum Verweilen ein. Beispielsweise auf den großen Holzbänken des britischen Designers Jasper Morrison, der die Tate Modern für die Möblierung beraten hat. Unter anderem kann man es sich auf Klassikern von Fritz Hansen oder auf HAYs About a Chair gemütlich machen. Die Gitterstruktur der Ziegelfassade streut Tageslicht in die Innenräume und vereinzelte Fenster geben Blicke auf die Umgebung frei.
Die neue Tate Modern versteht sich als Weltmuseum, das seine Besucher miteinbezieht und zu Partnern macht, statt sie zur Distanz und Kontemplation zu dirigieren. Mit Räumen für Bildungsprogramme und Workshops, der Members-Lounge und Cafes, Restaurants und Shops wird das Museum zu einem Aufenthaltsort, der nicht nur Kunst mit freiem Eintritt bietet. Sicher werden in Zukunft auch Besucher in die Tate kommen, die weder Louise Bourgeois oder Mark Rothko sehen wollen, sondern sich dort zum Lunch verabredet haben oder nur ein Stück Kuchen essen wollen. Vom Restaurant und von der Aussichtsetage des Switch House ganz oben gleitet ihr Blick durch die Fenster über die Themse und weit über die Londoner City. Der Museumsbesuch in der neuen Tate Modern lohnt sich – der Kunst wegen und für dieses atemberaubende Panorama.