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Der spanische Star-Architekt Ricardo Bofill Levi sieht genauso aus, wie man sich einen großen Meister seines Fachs vorstellt: Mit grauer Wallemähne, buschigen Augenbrauen, einem weißen Hemd, dessen oberen Knöpfe stets offen sind und fast immer einer Zigarette im Mund. Doch nicht er, sondern seine Gebäude sind gerade wahre Pinterest und Instagram-Stars: Darunter die pastellfarbenen Apartmentburgen „La Muralla Roja“ und „Walden-7“ — die selbst Jahrzehnte nach ihrem Entstehen immer noch wirken als wären sie einem Science-Fiction-Film entsprungen. Lustig ist: Die jüngeren Entwürfe von Ricardo Bofill Levi und seinem Architekturstudio RBTA (Ricardo Bofill Taller de Arquitectura), wie das „W Hotel“ in Barcelona, das einem gläsernen Segelschiff ähnelt oder der futuristische Flughafen in Qingdao, werden deutlich weniger fotografiert als die älteren. Ärgern wird das Bofill nicht. Im Gegenteil: Er muss sich in seinem Vordenkertum bestätigt fühlen. Schließlich waren für ihn Soziales Bauen, Raumgestaltung mit starken Farben oder der Werkstoff Beton schon in den Siebzigern ein Thema!
Auch privat ist Ricardo Bofills Vision aufgegangen: Dort wo einst ein gigantischer Schlot rauchte und Betonmischer ein- und ausfuhren, befindet sich jetzt seine blühende Kreativoase „La Fábrica“. Ricardo Bofill kaufte die stillgelegte Zementfabrik bereits 1973, als seine Arbeit als Architekt gerade erst Fahrt aufnahm. Auf alten Fotos sieht man ihn grinsend in einem 5.000 Quadratmeter großen Trümmerfeld stehen. Nun sitzt er an gleicher Stelle, lässig in einem ausladenden Designer-Ledersessel und sagt: „Für mich bedeutet Luxus nicht, eine goldene Statue vor der Haustür stehen zu haben. Luxus ist für mich Raum, Platz – oder auch ein gewisser Lifestyle.“ Das sagt er und schaut dann in den scheinbar grenzenlosen Raum, von dessen meterhohen Decken weiße Baumwollvorhänge dramatisch hinabfallen, taghelle Deckenfluter rohe Betonsäulen in Szene setzen oder sich Gruppen von Thonet-Stühlen um ausladende Marmortafeln versammeln.
„La Fábrica“, die im Speckgürtel von Barcelona liegt, ist nicht nur der Sitz von Ricardo Bofills Architekturstudio mit über 60 Mitarbeitern. Es ist auch der Ruhepunkt des Architekten und das Zuhause seiner Familie. Was zunächst unvereinbar klingt, ist in der Realität ein nahezu romantischer Ort: Da wurden Zementsilos entkernt und zu intimen, cremeweiß-beteppichten Rückzugskojen verwandelt, dunkle Hallen mit rotem Marmor, rosa Wandfarbe und Rundbögenfenstern zu behaglichen Lebensräumen transformiert. Aus welchem Fenster man auch schaut, fast überall grünt und blüht es. Nur hier und dort hat Bofill noch ein paar optische Stolpersteine (wie eine rostige Wendeltreppe, die ins Nichts führt) stehen gelassen. Da spürt man dann seinen Hang zum Surrealismus. Oder darf Zeuge einer neuen Bau-Etappe werden: Denn genau wie die berühmte Kathedrale „Sagrada Família” von Antoni Gaudí in Barcelona ist „La Fábrica“ ein Projekt, das nie fertig ist. Das kommt dem nimmermüden Ricardo Bofill sehr gelegen. An Pension denkt der fast Achtzigjährige nämlich noch gar nicht. Es müssen noch zu viele Träume zum Leben erweckt werden.