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Die Zeit der Pandemie hat nicht nur für Veränderungen im Alltag gesorgt, sondern bringt auch neue Konzepte in den Bereichen Wohnen und Arbeiten mit sich. Wir haben mit Maren Boettcher und Regine Geibel aus München gesprochen, deren Unternehmen namens 8 Senses sich mit genau diesen Veränderungen und neuen Konzepten beschäftigt.
Welche Trends aktuell gefragt sind, was „ehrlicher Luxus“ bedeuten kann und welchen Entwicklungen das neue Wohnen und Arbeiten unterworfen sind, erfahren Sie hier!
Liebe Maren, liebe Regine, schön, dass ihr euch Zeit für uns nehmt. Könnt ihr euch bitte kurz vorstellen und unseren Lesern erzählen, was ihr genau macht.
Zunächst möchten wir AmbienteDirect Danke sagen, für das Interesse an uns und unserer Tätigkeit.
Regine ist Architektin, Beraterin und systemischer Coach neben ihrer Tätigkeit als Chefredakteurin unserer Plattform ‚An Architectural Life‘; ich berate und plane als Innenarchitektin seit mehr als 20 Jahren komplexe Projekte, von der Projektfindungsphase, bis zur Umsetzung. Als Architektin und Innenarchitektin und darüber hinaus mit Erfahrung in den Bereichen Systemische Beratung, Marketing und Journalismus haben wir uns auf die Entwicklung von zeitgemäßen Hotelkonzepten sowie Co-Working und Co-Living inklusive der gestalterischen Umsetzung spezialisiert. Nach über 35 besuchten Hotels des Luxussegments und zahlreichen Gesprächen mit den Betreibern glauben wir zu wissen, was bei der Planung eines außergewöhnlichen Hotels von Bedeutung ist.
Wir leisten damit Zukunfts- und Transformationsberatung und lassen dabei zukünftige gesellschaftliche Bedürfnisse und die sich neu entwickelnden Trends stark in unsere Beratung und Planung einfließen.
8 SENSES - conscious consulting & interior ist unser Firmenname. Inzwischen weiß man, dass es nicht nur fünf Sinne gibt. Der Achte ist der, der das Feinstoffliche wahrnimmt. Folgendes Zitat drückt dies sehr treffend aus:
"Menschen werden vergessen, was du gesagt hast. Menschen werden vergessen, was du getan hast. Aber Menschen werden niemals vergessen, welches Gefühl du ihnen vermittelt hast", von Maya Angelou (1928 - 2014), Amerikanische Bürgerrechtlerin, Professorin und Schriftstellerin.
Mit 8 SENSES bietet ihr eine Beratungs-und Planungsfirma, die sich stark mit den Themen ehrlicher Luxus, Nachhaltigkeit, Co- und Hybrid Living-Konzepten beschäftigt. Welche Trends zeichnen sich hier aktuell ab?
Wir beobachten momentan einen Wertewandel, immer mehr Menschen haben das Bedürfnis nach Verbundenheit und Gemeinschaft, nach Zugehörigkeit und danach – zum Beispiel im Hotel – herzlich und mit offenen Armen empfangen zu werden, im Sinne von echter Gastfreundschaft. Das Verständnis von Luxus ist mehr und mehr ein anderes als noch vor ein paar Jahren. Anspruchsvolle Menschen mit einem bewussten und verantwortungsvollen Lebensstil legen immer größeren Wert auf Orte, an und in denen sie sich wohl fühlen. Der ursprüngliche Superlativ „Höher, schneller, weiter“ ist glücklicherweise gebrochen, und immer mehr Menschen sind auf der Suche nach Erlebnis statt nach Konsum.
Soft skills, die Sinne anregen und Emotionen wecken, rücken wieder in den Vordergrund. Das Zukunftsinstitut hat dafür schon einen Begriff geprägt: Der Trendforscher Matthias Horx nennt es Resonanztourismus.
Resonanz bedeutet ja, dass zwei Sachen miteinander schwingen, also in Einklang sind; um Resonanz zu erzeugen, braucht es einer Art Kettenreaktion. Diese beginnt bei der Einstellung und Haltung des Hoteliers, des Co-Working-Betreibers oder schlichtweg des Gastgebers…
Das ist im Wesentlichen das Erlebnis, das man im positivsten Sinne für sich mitnimmt und was viel länger anhält als kurzfristiger Konsum. Als Beispiel könnte man hier das inspirierende Gespräch mit den Gästen vom Nachbartisch nennen, oder den kurzweiligen Abend mit Freunden im Verhältnis zu der strassbesetzten Champagnerflasche, die man korkenknallend innerhalb von einer Stunde ausgetrunken und vergessen hat.
Kurz gesagt: Menschen wollen nicht mehr als Kunden einer Wirtschaft behandelt werden, sondern als Freunde einer Gemeinschaft.
Wie genau sieht ehrlicher Luxus gerade in der aktuellen Zeit aus?
Wir reden intern immer von New oder Conscious Luxury, was nichts anderes bedeutet, als dass Annehmlichkeiten geschaffen werden können, die auch nachhaltig sind.
Ein bewusster Umgang mit Ressourcen in Produktion und Verwendung, ohne an Design oder Qualität einzubüßen. In diesem Zusammenhang kann man sagen, dass ehrlicher Luxus sich nicht primär in der Verwendung augenscheinlich luxuriöser Produkte definiert, sondern als Geisteshaltung neue Maßstäbe setzt, die dann im Interior umgesetzt werden; langlebig, nachhaltig, hochwertig.
Es geht hier vor allem auch um eine Haltung zu sich selbst und zur Welt, das ist noch weitgehend unbekannt.
Warum es während und nach Corona für den zukünftigen Erfolg aber mehr denn je wichtig ist, als Unternehmer eine gefestigte innere Haltung aufzubauen und in die tägliche Arbeit miteinfließen zu lassen, ist Kernstück unserer Beratungen.
Das Thema Hybrid Living – also die neue, flexible Wohngestaltung, die gleich mehreren Anforderungen wie zum Beispiel Wohnen und Arbeiten in den gleichen Räumen gerecht wird – ist längst etabliertes Topic, gewinnt aber mit Corona eine ganz neue Dimension. Was ist die (gestalterische/planerische) Herausforderung am Remote Working aus deiner Sicht?
Der Ablauf, sich mit dem Business-Outfit auf den Weg ins Büro zu machen, gibt einem eine gewisse Struktur und Haltung.
Die Selbstbestimmtheit beim Remote Working zuhause, die ohne Zweifel viele Vorteile birgt, bedarf aber eben mehr Disziplin und Struktur, die das private Umfeld ansonsten nicht bietet. Das letzte Jahr hat vielen Menschen neue Erfahrungen geboten, die es nun gilt langfristig zu durchleuchten und diese neuen Herausforderungen klug gestalterisch umzusetzen gilt.
Auch hier gelten vorrangig die bereits angesprochenen Themen: Wohlfühlen und Atmosphäre durch wohnliche Beleuchtungskonzepte, Akustik, Stauraum für Struktur in den Arbeitsabläufen und eine aufgeräumte Optik.
Das gestapelte Zettelchaos auf dem Esstisch – abends an die Tischecke geschoben – wird diese genannten Punkte definitiv nicht erfüllen. Der Arbeitsbereich sollte bestenfalls nicht den präsentesten Platz im Wohn-und Essbereich zuhause einnehmen, um hier einen Abstand von Arbeit und Freizeit zu schaffen, den früher der Heimweg erfüllt hat.
Welchen Einfluss hat COVID-19 auf das Thema Co-Working, aber auch Co-Living (das zweckmäßige Zusammenleben mehrerer Parteien)?
Unserer Meinung nach werden sich Gewohnheiten durch die Pandemie und das damit verbundene Remote Working ändern. Gearbeitet wird teils zuhause, teils in Co-Working Spaces, mit dem Fahrrad um die Ecke des Wohnsitzes. Für Meetings, bei denen der persönliche Austausch unabdingbar ist, trifft man sich im Büro, und auf der Reise werden Bereiche in den Hotels genutzt, die fürs Remote Working und zum konzentrierten Rückzug nun auch dort immer mehr zur Verfügung stehen.
Das verringerte Pendeln ins Büro wirkt der vergangenen Landflucht wieder entgegen. Co-Living Konzepte, die in Städten mehr und mehr Einzug halten (oft durch Umnutzungen leerstehender Büro-oder Einzelhandelsflächen), bieten den Pendlern, die nun auf dem Land wohnen, Übernachtungsmöglichkeiten inklusive Gemeinschaftsflächen wie Küche, Wohn-und Arbeitsbereichen – für einen konstruktiven Austausch, Netzwerken und fürs Feierabendbier.
Welchen Impact hat die aktuelle Krise auf eure täglichen Planungen gerade in der Hotellerie?
Das Hotel ist der Ort, an den mit Abstand die meisten Erwartungen gestellt werden! Im Hotel bleibt man mehrere Tage oder Wochen, verbringt also viel Zeit; macht das Hotel somit zum ausgelagerten Zuhause, in dem man sich im Idealfall besser erholt, als daheim. Diese Erwartungen und die zu stillenden Bedürfnisse gilt es auch im Co-Working-und Co-Living zu berücksichtigen, man verbringt dort täglich Stunden, meist mit fremden Menschen, muss sich also wohlfühlen, um produktiv und kreativ sein zu können.
Besonderes Augenmerk legen wir bei der Gestaltung und Planung auf eine gute Akustik und eine sorgfältig geplante Beleuchtung. Die Auswirkungen dieser beiden Bereiche werden immer noch maßlos unterschätzt und bieten eine wohnliche Atmosphäre, die in Lounge-Bereichen, Hotellobby und SPA ‚state of the art‘ geworden ist. Eine Hotellobby als Beispiel, wird zum multifunktionalem Begegnungsraum, in dem man sich gerne noch nach dem Dinner aufhält oder tagsüber bei Regentagen mit Buch, Backgammon oder Laptop verweilt.
Neue Raumaufteilungen oder der Umbau von Seminarräumen in zusätzliche Restaurantflächen – Tische werden auch zukünftig mit mehr Abstand stehen – oder Co-Working-Bereiche sind immer mehr Bestandteil unserer Beratung und Planung im Hotel.
Bei neuen Hotelkonzepten – also Neubau oder Kernsanierung – ist die private Sauna und die Kitchenette im Hotelzimmer beziehungsweise der Suite zukünftig kaum mehr wegzudenken.
Sind weitere Wohn- und Arbeitstrends aus planerischer Sicht absehbar? Wo geht die Reise hin?
Hoffentlich geht grundsätzlich die Reise bald mal wieder irgendwo hin, wird sich nun jeder denken, der dies liest. Reisehungrig sind wir nach dem langen Lockdown sicherlich alle!
Der private Wohnbau wird Veränderungen bei der Planung der Raumaufteilungen vornehmen müssen; eine Arbeitsnische oder bestenfalls ein Arbeitszimmer wird wichtiger, als es zuvor war. Spannende städtebauliche Konzeptplanungen werden entwickelt; Jungarchitekten, die die neue Generation vertreten, analysieren neue Nutzungen von entstehenden Leerständen in den Städten, die zu den angesprochenen Co-Working/-Living Bereichen und sogenannten ‚shared spaces‘ werden. Um Innenstadtbereiche durch die Veränderung im Einzelhandel nicht unattraktiv werden zu lassen, wird sich noch vieles tun, was wir neugierig beobachten.
Liebe Maren, liebe Regine, wir danken euch sehr für die interessanten Einblicke in eure Arbeit! Mehr Informationen zu diesem spannenden Thema gibt’s unter https://www.anarchitecturallife.com/
So wohnen und arbeiten wir in Zukunft
Ihnen schwirrt der Kopf von diesem anregenden Talk? Geht uns auch so, deswegen haben wir noch einmal die Kerntrends in puncto neue Wohnkonzepte herausgefordert: