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Die Sitzfläche ziert ein modisches Schwarz-Weiß-Schachbrettmuster. Eigentlich hat der Hocker das Make-Up aber gar nicht nötig, denn er wurde seit seinem Entstehen in den Dreißiger Jahren millionenfach verkauft. So auch seine Brüder und Schwestern: Die Sessel, Stühle, Tische und sogar ein Servierwagen aus gebogenem Birkenholz mit schlichten Ziffern anstelle von Namen. 36 Mitglieder gehören zur Familie der hölzernen „L-Bein-Möbel“ von Aalvar Aalto für Artek! Und jeder von ihnen ist ein Designklassiker. Vom Designmuseum in Helsinki bis zum MoMa in New York: Die Aalto-Artek-Möbel sind in diesen renommierten Häuser wie selbstverständlich zuhause. Aber auch in ganz normalen Familienhaushalten auf der ganzen Welt – und genau für die hatte sich Aalto seine Möbel einst erdacht.
Der finnische Architekt Alvar Aalto liebte es bereits früh in seiner Karriere Grenzen auszutesten. So experimentierte er bereits in den Zwanziger Jahren mit Birkenholz. Er wollte dem traditionellen Material seine persönliche Vision der Moderne einhauchen. Gemeinsam mit einem Freund, dem Tischler und Möbelproduzenten Otto Korhonen, gelang ihm dann ein handwerklicher Geniestreich: Sie verformten laminiertes Birkenholz, bogen es in Wellen, Kurven und organische Formen, als wäre es Wachs unter ihren Händen. So kamen sie auch auf die berühmte L-Form der Stuhl-, Sessel- oder Tischbeine, die 1933 patentiert wurde. Aalto, der Architekt, nannte sie „die kleine Schwester der architektonischen Säule“ – denn auf dem immer gleichen L-förmigen Bein konnte er eine große Bandbreite an Möbeln aufbauen.
Fotos – Artek
Birkenholz ist in Finnland das Material Nummer 1 – einfach weil es dort mehr wie ausreichend vorhanden ist. Seine natürliche Haptik, warme Anmutung und herausragende Beschaffenheit qualifizieren Birkenholz darüber hinaus seit Jahrhunderten für die Möbelproduktion. Durch die extremen klimatischen Bedingungen wächst es in Finnland langsam, hat aber eine ausgezeichnete Qualität und wunderschöne Maserung. Für die Artek Produktion wird nur gereiftes Birkenholz aus privaten Mischwäldern verwendet, das im Winter geschlagen wird und dann lange trocknet (bis zu einem Jahr). Erst dann ist es im optimalen Zustand für die weitere Verarbeitung.
Das zu verformende Holzstück wird mehrfach eingesägt. Anschließend werden in diese Schlitze dünne Birkenholzfurniere eingesteckt und verleimt. Unter Hitze wird das Holz dann per Hand gebogen. Zwei Männer, viel Kraft, aber auch Gefühl für das Material braucht es dafür. Einen Tag später kann das Birkenholz dann per Hand geschliffen und weiterverarbeitet werden, behält seine neue, geschwungene Form aber bei. Die Aalto-Artek-Möbel mit den L-förmigen Beinen werden noch immer in der Tischlerei gefertigt, wo sie einst entstanden: Im finnischen Turku, rund 200 km von Helsinki entfernt. Hier hat sich über die Jahre ein unschätzbar wertvolles Knowhow für die Handwerkstechnik des Holzbiegens entwickelt.
Einen Klassiker verändert man nicht – dieser Grundsatz ist in der Designwelt heilig. Im Falle der Artek-Bugholzmöbel ist das auch so. Allerdings bieten alle Entwürfe von Aalto einen gewissen gestalterischen Spielraum. Mit Farben Drucken und ausgefallene Polsterungen kann den Klassikern also immer ein neues Gesicht verliehen werden. Mit dem von Artek ins Leben gerufene „2nd Cycle“ Store in Helsinki sammelt das Unternehmen jetzt auch gezielt die alten Entwürfe – weil manche Liebhaber gerade die Vintage-Möbel verehren. Ein Klassiker ist eben auch dann noch schön, wenn er in die Jahre kommt.
Foto 1-3, 5 & 6 – Artek, Foto 4 – Mannelin